Zerstöre ich den Fotografen-Markt?
Auf ein Wort zu meiner Kamikaze-Selbstmörder-Sozial-Preispolitik…
Das, was ich jetzt beschreibe, ist ein immer wiederkehrendes Phänomen, welches einem als Freien Fotografen oder Freier Fotografin immer wieder begegnet. Es ist der Kampf zwischen a) Menschen, die freiberuflich als Fotografen arbeiten, aber „nebenbei“ noch einem Hauptberuf nachgehen, b) Menschen, die als Freie Fotografen tätig sind und sich selbständig gemacht haben und c) Menschen, die das Fotografie-Handwerk als Beruf gelernt haben. Also ein Drei-Fronten-Krieg. Es geht um die Frage: Welchen Preis nehme ich für meine Dienstleistung?
Gruppe a) hat es relativ einfach. Denn sie nagt nicht am Hungertuch, wenn mal kein Auftrag ins Haus flattert. Dazu gehöre auch ich. Viele Menschen der Gruppe a) machen das in erster Linie aus Spaß an der Freude. Sie wissen: Ich habe diesen Beruf nicht erlernt und auch wenn ich glaube zu wissen, doch ganz anständige Ergebnisse zu liefern, meine ich nicht, mich mit einem gestandenen Berufsfotografen oder einer gestandenen Berufsfotografin messen zu können/zu müssen. Ich für meinen Teil habe genügend Workshops bei Berufsfotografen der Gruppe c) besucht um zu wissen, dass die „Kollegen“ ein know-how von Themen haben, von denen ich im besten Fall eine Idee habe. Vielleicht betreibe ich mit denen den gleichen Sport, aber ich spiele nicht in der gleichen Liga. Ich weiß das. Und die meisten Mitglieder der Gruppe c) wissen das auch.
Für kleinkarierte Mitglieder der Gruppe c) sind Menschen wie ich im schlechtesten Fall ein Ärgernis. Dann werde ich als Gefahr für den Markt betrachtet und dass ich mit meinen Preisen (dazu komme ich gleich) den Markt kaputt mache oder gar zerstöre. Ich bin sozusagen der Darth Vader unter den Fotografen. Jetzt wage ich die Behauptung: Berufsfotografen, die sich durch mich bedroht fühlen, sind schlechte Fotografen oder Fotografinnen. Denn anscheinend mache ich irgendetwas besser, sonst wäre das Gefühl der Bedrohung nicht da. Ich habe mittlerweile Vertrauen genug in meine eigenen Fähigkeiten um zu sagen: Gib mir in diesem Themenbereich ein halbes Jahr intensiver Einarbeitung und ich kann das auch.
Im besten Fall werde ich von souveränen Mitgliedern der Gruppe c) ignoriert. Denn sie wissen: Für meinen Themenbereich (z.B. Produktfotografie) bräuchte sie mindestens ein halbes Jahr intensiver Einarbeitung, um zur ernsten Konkurrenz zu werden. Die Zeit hat sie aber nicht (wg. Hauptberuf). Außerdem WOLLEN meine Kundinnen und Kunden eine ausgebildete Fotografin, die weiß, was sie tut. Wie stehen die denn da , wenn sie sich keine Berufsfotografin leisten können? Wir spielen nämlich in verschiedenen Ligen, wenn überhaupt den gleichen Sport. Ich setze Themen um, von denen hat sie allenfalls eine Idee.
Mit Menschen der Gruppe b) verhält es sich am schwierigsten. Sie sitzen zwischen den Stühlen. Die meisten von ihnen haben als ein Mitglied der Gruppe a) angefangen. Für sie sind damit die Menschen der Gruppe a) auch die größte Konkurrenz. Sie haben ein ähnliches know-how, aber dafür den wirtschaftlichen Druck, den sie sich ausgesucht haben. Für sie gilt: Sie müssen Preise generieren, mit denen sie über die Runden kommen, aber auf ihrer Visitenkarte steht nach wie vor „Freier Fotograf“ und nicht „Fotografin mit Meisterbrief“. Menschen, die mir einzureden versuchen, welche Preise ich zu nehmen habe, kommen zumeist aus dieser Gruppe. „Dein Preis spiegelt doch gar keinen Wert wieder!“, hört man dann. Oder: „Nichts ist umsonst!“ Oder: „Wenn du willst, dass deine Kunden dich ernst nehmen, musst du auch einen Preis nehmen, der deinen Aufwand berücksichtigt.“ „TfP* macht den Markt kaputt!“ Übrigens waren das bisher ausnahmslos Männer.
Es ist ja ganz nett, dass man mir eine solche Zerstörungskraft zutraut. Da fühle ich mich doch gleich wie Wonder Woman. Oder Darth Vader. Als wäre ich die Abrissbirne des Fotografenmarktes. Nur: Diese Macht habe ich gar nicht! Und auch in der Masse gedacht (wenn man all die Darth Vaders und Wonder Womans dieser Welt zusammenrechnet): Diese Macht haben wir gar nicht!! Die Menschen, die das anklagen, wollen nämlich etwas, was es gar nicht gibt. Aufträge von Kunden, die ihr Geld dafür nicht mehr ausgeben wollen oder können.
Welches Hochzeitspaar kann schon 2000,- Euro für eine Hochzeitsreportage ausgeben? Die meisten können es NICHT. Die fragen den Schwager. Der hat nämlich auch eine gute Kamera und schneidet auf den Bildern nicht die Füße ab. Das reicht schon den meisten. Natürlich gibt es noch mehr zu beachten, wenn man ein schönes Foto machen möchte. Aber die viele Menschen haben einfach nicht die finanziellen Mittel dafür oder setzen andere Prioritäten.
Ich möchte zugeben, dass ich mich lange Zeit von dem Gewäsch der Menschen der Gruppe b) und der Gruppe c) habe beeindrucken lassen. Früher hatte ich noch feste Preise und Leistungen auf meiner Website aufgeführt. Ich will das aber nicht mehr. Es passt nämlich nicht in mein antikapitalistisches Weltbild (Wonder Woman!). Ich bin dazu übergegangen, mit den Menschen ins Gespräch zu gehen und zu fragen: Was möchtest du? Kann ich das überhaupt leisten, was du dir wünschst? Du willst Dessous-Bilder? Frage mal lieber den netten Mann mit der Brille in meinem Portfolio, der macht so was. Und wenn ich merke, das, was du wir wünschst, kann ich dir auch bieten, bitte ich DICH um ein Angebot. Da kann man natürlich sagen, ich würde mich aus der Preisfrage herauswinden. Es ist aber meine Überzeugung, das jeder bereit ist, das zu geben, was er kann (Wonder Woman!). Welches Angebot ist mehr wert? Das einer Schauspielschülerin, die ihre Bilder für das Portfolio freigibt, aber kein Honorar bieten kann, weil sie ihre Ausbildung mit Kellnern finanziert und gerade so über die Runden kommt? Oder das einer Abteilungsleiterin, die bereit ist einen dreistelligen Betrag zu zahlen? Hat eine Krankenschwester nicht auch das Recht auf schöne Bilder wie auch die Ärztin? Für Erstgenannte bin ich vermutlich die einzige Chance. Und wenn ich merke, sorry, deinen Preisvorstellungen kann ich nicht nachgeben, weil ich noch nicht einmal die Tankkosten rausbekomme, steht es mir frei, das zu sagen. Und wenn mich das Projekt trotzdem reizt und ich die Erfahrung will, hat es für mich dennoch ein Plus und ich mache es trotzdem. Weil es für MICH passt.
Also ihr lieben Missgünstigen und Marktgläubige: Verflucht mich ruhig, ich bleibe dabei.
Das oben gezeigte Bild ist übrigens eine Hommage an die großartige #celestebarber. Auch so eine Wonder Woman. Wer sie auf Instagram noch nicht genossen hat, sollte das unbedingt nachholen.
*tfP meint: Time for pictures/prints. Das Model stellt sich kostenfrei bei freier Nutzung der Bilder zur Verfügung. Die Fotografin überlässt die Bilder kostenfrei dem Model.