Über Gear-Gier
Kommt dir das bekannt vor? Du frönst einem neuen Hobby oder einer neuen Leidenschaft und nun brauchst du dafür gaaaaaaaanz viel lebensnotwendiges Equipment. Da wäre zum Beispiel dieser Aufsatz für die Küchenmaschine, nur mit dem wird das Kartoffelpüree perfekt. Kaum zu glauben, dass du das früher einfach mit deiner Muskelkraft und diesem prähistorischen Stampfer gemacht hast! Wie konntest du nur!! Und jetzt, wo du selbst strickst, weißt du, dass nichts besser für die Socken geeignet ist als die gute Opalwolle. Und wie war es nur möglich, früher einfach unbedarft glücklich zu sein, bevor du diese tolle E-Gitarre hattest? Jetzt brauchst du dafür aber auch ZWINGEND einen besseren Verstärker, denn mit der Gurke, die du jetzt hast, kann es ja nur schlecht klingen. Dazu bitte auch noch ein vernünftiges Kabel, Saiten, Verzerrer…
Fotografinnen und Fotografen sind von dieser Gier nach der Gear natürlich ÜBERHAUPT NICHT betroffen. Und ich schon gar nicht! Ich brauche keine Rechteckfilter, luftgefederten Stative, superduperschnellen Speicherkarten, Lichtformer, Kamerarucksäcke – tzz!
Spaß beiseite.
Was ist das bloß? Was kommt da für eine Seite in uns zum Vorschein? Warum können wir uns nicht mit dem begnügen, was wir haben, sondern wollen mehr und mehr und mehr? Und es nicht nur ein: „Ich will das“. Im Falle meiner Ausrüstung bin ich felsenfesten Glaubens, das BRAUCHEN zu müssen. Was natürlich Quatsch ist. Und dabei bin ich noch nicht mal ein Mensch, der ein typischer Jäger und Sammler wäre. Mein Kleiderschrank ist relativ übersichtlich, ich wähle Ausgaben mit Bedacht und auch ansonsten bin ich eher genügsam. Aber bei meinem Fotoequipment bin ich kein rational denkender Mensch mehr. Da fällt es mir echt schwer, auf die Bremse zu treten. Und was ist es doch für eine Tortur, auf eine Lösung zu verzichten, die besser wäre. Seitdem ich mit Studioblitzen gearbeitet habe, weiß ich nicht wie ich es hinkriege, keine zu haben!
Ist das verwerflich? Ist es wirklich Gier, dieses Sichnichtzufriedengebenkönnen oder etwas Anderes? Macht es mich zum besseren Menschen, wenn ich verzichte?
Es heißt ja so schön, dass im Verzicht Freiheit läge. Ich kann zumindest bestätigen, dass das ständige Schauen/Recherchieren nach Equipment mir viel Zeit raubt, die ich sinnvoller verwenden könnte.
Vielleicht liegt es ja daran, dass unsere Hobbys und Leidenschaften etwas Emotionales sind. Wir stecken da unser Herzblut und unsere Zeit hinein. Wir bilden uns fort, sparen, knapsen uns Zeit dafür ab, verzichten auf andere Dinge. Wir wollen das gut machen. Stolz darauf sein. Es erfüllt uns mit Freude, wenn wir uns für etwas anstrengen und es klappt. Wir schaffen, schöpfen etwas. Und genießen die Anerkennung. Anscheinend ist es dabei egal, ob wir einen Sportauspuff anbringen, ein Faschingskostüm selbst nähen oder ein richtig gutes Brot backen.
Daran kann ich zumindest nichts Verwerfliches entdecken. So versuche ich, nicht ganz die Vernunft und den Kontostand aus den Augen zu verlieren und nicht allzu streng mit mir zu sein. Vielleicht mache ich mir da selbst etwas vor. Aber solange ich da nur selbst betroffen bin, kann ich gut damit leben.