Vertraust du mir?
Es ist leichter gesagt als getan: Du möchtest schöne Fotos von dir haben und suchst nach einem Fotografen oder einer Fotografin. Und dann stehst du da, weißt nicht, wohin mit deinen Händen. Die Fotografin gibt so komische Anweisungen, bei denen jeder vernünftige Mensch denkt: Das KANN nicht gut aussehen! Und schon wieder dieser skeptische Blick aufs Display. Und du fragst dich: Sehe ich scheiße aus? Habe ich was falsch gemacht? Ständig drückt sie auf den Auslöser. Stelle ich mich so dumm an?
Ganz klare Antwort: Nein!
Du machst das gut. Denn du bist ein Geschöpf dieser Erde, deine Atome sind so alt wie das Universum, du kannst also nur großartig sein. (Ja, das klingt etwas schwülstig, aber so ist es nun mal.) Vertraue darauf, dass der Mensch, der dich fotografiert, weiß, was er da handwerklich tut. Du hast im Netz recherchiert, andere Bilder von ihm gesehen und offenbar haben sie dir gefallen. Aber das ist nicht so leicht. Schließlich könnte er oder sie ja auch einen schlechten Tag haben.
Warum gibt die Fotografin so komische Anweisungen? Weil sie weiß, dass sie versucht, etwas Dreidimensionales auf etwas Zweidimensionales herunterzubrechen. Ein Bild ist flach und hat keine Tiefe. Da muss man tricksen, mit Licht und Schatten, der Perspektive, Posing oder auch der Wahl des Objektivs, um nur einige Möglichkeiten zu nennen. Eine Pose, die im „echten Leben“ einfach nur lächerlich anmutet, entfaltet dann auf dem flachen Medium Bild eine ganz andere Wirkung.
Wenn die Fotografin skeptisch auf das Display schaut, liegt das meistens daran, dass sie mit sich selbst nicht zufrieden ist. Da stimmt das Licht nicht oder eine Einstellung muss noch geändert werden. Ich versuche mich immer daran zu erinnern, wie unfreundlich ich aussehe, wenn ich eigentlich nur konzentriert bin (-Ich nenne das für mich den „Merkel-Effekt“.-) und kommentiere meine Handlungen, damit das Model weiß, dass das Problem hinter der Kamera steht und nicht davor.
Und ja, die meisten Fotografinnen und Fotografen machen bei einem Shooting sehr viele Bilder. Gerade in der Menschenfotografie gibt es so viele kleine Nuancen, die sich in einem Sekundenbruchteil ändern können. Da möchte man möglichst viel einfangen um auch später eine schöne Auswahl zu haben. Ich habe durchschnittlich 80% „Beifang“ – an einem guten Tag. Und ich weiß, dass dies ein Wert ist, den auch die meisten anderen Kolleginnen und Kollegen haben. Das wäre auch gleich ein Tipp an die engagierten Hobbyfotografen unter euch: Macht Bilder, Bilder, Bilder! Nutzt es aus, dass ihr kaum noch begrenzt seid! Die Zeiten eines 12er Rollfilms sind für die Meisten vorbei.
Aber nun mal ehrlich: All das ist ja gut und schön zu wissen, aber vermutlich wirst du dich trotzdem komisch fühlen. Und das ist okay. Denn fotografiert zu werden ist schon eine sehr persönliche Geschichte. Gerade, wenn man etwas mehr möchte als ein Passbild für den Ausweis. Da gibt man etwas von sich. Wenn man Glück hat, fängt die Fotografin es auf und hält es in ihrem Bild fest.
Ich versuche mir das regelmäßig klar zu machen, indem ich mich selbst porträtiere (das ist ein bisschen geschummelt, denn ich löse ja selbst aus) oder mich von anderen Fotografinnen/Fotografen fotografieren lasse. Da merke ich immer wieder, wie schwierig es ist los zu lassen und zu denken: Wird schon! Du siehst: Du bist nicht allein mit diesen Gedanken.
Ich weiß ja nicht, wie es dir damit geht. Aber wenn es um mein Äußeres geht, bin ich vermutlich selbst mein schärfster Kritiker. Da hilft es mir, die Bilder anderen Menschen zu zeigen, die mir sagen: „Oh, das ist aber hübsch, wie du da lächelst!“. Ich sehe da immer nur eine nervige Zahnlücke. Das, was für mich störend ist, fällt anderen Betrachtern gar nicht auf. Unter diesem Aspekt kann ich auch mit Schauspielern und Schauspielerinnen mitfühlen, dass sie sich selbst gar nicht sehen mögen. Deshalb ist es für mich als Fotografin auch so erfüllend, wenn ein Model mir hinterher rückmeldet, dass es sich über die Bilder gefreut hat und sich gut getroffen sieht.
Vielleicht konnte ich dir ja mit diesen Ausführungen etwas Nervosität nehmen, wenn du das nächste Mal vor einer Kamera stehst und du nun weißt, was sich dahinter verbirgt, wenn du auf den „Merkel-Effekt“ triffst.
Zum Schluss: Ein ganz herzliches Dankeschön an Frau Pudelwohl aus Hamburg, die das Beitragsbild geschossen hat. An einem kalten Januartag trafen wir uns und fotografierten uns gegenseitig. Ganz loslassen konnte ich dann doch nicht: Wir haben die Speicherkarten getauscht und bearbeiteten die eigenen Bilder.
{Werbung, da Namensnennung.}